Schloß Burgrain

 

Ursprünglich Sitz des bajuwarischen Adelsgeschlechts der Fagana.

Die Fagana waren neben den Agilofi, Anionza, Drozza, Hahilinga und Huosi eine der 6 bedeutendsten bajuwarischen Sippen. Die Herrschaft der Agilofinger in Bayern dauerte vom 5. bis zum 8. Jahrhundert. (-> der Streit des Herzogs Tassilo mit Karl dem Großen führt zu dessen Ächtung. Heutige Hinweise in dieser Gegend: Einöde Fang bei Kaltenbach, Familienname Fanger, Ortsendungen auf -ing. Ein Erdschutzwall 200m südlich der Burg könnte noch aus dieser Zeit stammen.

 

Bischof Josef von Freising (2. Nachfolger des Gründers Korbinian) gründet ein Benediktiner Kloster in Isen, im Jahre 747.

Atto der Kienberger, Bischof von Freising, erwirbt im Tausch Burgrain von dem Fagana Riphwin am 24. Mai 811. Bestätigung des Tausches durch Kaiser Ludwig der Fromme am 23. August 816.

 

Das 10. Jahrhundert ist geprägt von den Ungarneinfällen.

In der Schlacht auf dem Lechfeld 955 werden die Ungarn von Otto d. Gr. (936 - 973) und Bischof Ulrich von Augsburg besiegt. Das Benediktiner Kloster in Isen wird während der Ungarneinfälle zerstört und nicht wieder aufgebaut. Burgrain wird als Zuflucht erwähnt. Otto d. Gr. verleiht den Bischöfen von Freising die Fürstenwürde.

 

Wiederaufbau der verelendeten Herrschaft Burgrain in der Zeit Heinrichs II, (973 - 1024). Heinrich II, seit 995 Herzog v. Bayern und seit 1002 röm.-dt. Kaiser. Bedeutende Schenkungen und Begünstigungen an das Bistum Freising durch ihn und seine Gemahlin Kunigunde. Bischof Egilbert überlässt im Jahre 1025 der Kaiserinwitwe Burgrain zur Nutznießung (vgl. Altarinschrift rechter Seitenaltar: „Altare S. Cunigundis Imperatoris usufructuariae huius loci“).

 

Augustiner-Chorherrenstift in Isen ab etwa 1100.

 

Um 1200 erbaut der Probst Ulrich nach dem Vorbild des Domes zu Freising die neue St. Zeno-Kirche in Isen: Dreischiffige romanische Basilika, darin - unter dem Hochchor  - eine zweiteilige Krypta. Der 40m hohe Turm stammt aus der Gotik.

Ebenfalls Anfang des 13. Jahrhunderts entsteht der Nagelfluh-Bergfried in Burgrain (urspr. 22m hohe Mauern, 2.5m stark, vgl. Kupferstich von Wening. Heute auf eine Höhe von 11m abgetragen. -> Steinbruch für Bierkeller 1800). Er steht an der strategisch schwer zu verteidigenden Südseite der Burganlage. Vermutlich aus dieser Zeit stammt auch der südlich der Anlage liegende Burggraben (heute: Burgstraße).

Von 1300 bis 1600 war Burgrain mit seinen Ländereien öfters verpfändet, bzw. zu Lehen gegeben. Häufige Streitigkeiten mit der benachbarten Grafschaft Haag sind dokumentiert. Ausbau der Burg im 15. Jahrhundert zu einer spätmittelalterlichen Festungsanlage unter den Bischöfen Hermann (1412-1421) und Nicodemus (1422-1443). Es entstehen eine 8m hohe Umfassungsmauer mit Wehrgang, der Palas an der geschützten Nordseite der Burg, Wirtschaftsgebäude (?) an der Ost- und Südostseite (Zehentkasten) und eine quadratische, in die Wehranlage integrierte gotische Kapelle an der Südwestecke der Anlage. Vermutlich bestand keine Verbindung der Gebäude mit dem Wehrturm, zumindest auf dessen Süd- und Westseite nicht.

 

Erst ab 1600 verbleibt die Herrschaft Burgrain ausschließlich im Besitz des Bistums Freising. Die Bischöfe berufen einen Pfleger, der auch die niedere Gerichtsbarkeit ausübt

 

Im 30-jährigen Krieg wird Burgrain im Jahre 1633 von den Schweden geplündert und noch einmal im Jahre 1648 durch Schweden und Franzosen. Angeblich sollen die Feinde einen im Turm vergrabenen „Schatz an Gold“ gefunden haben. 1634 wütet die Pest im Burgrainer Land. 1639 Feuer auf Schloß Burgrain. Wie wahrhaft ungeheuerlich diese schreckliche Zeit war, kann man einem Brief des damaligen Pflegers Christian Itt an den Bischof entnehmen. Itt schreibt darin: „Bin heint Nacht im Schloß gelegen, und weilen ain gespenst so übl regiert, mag ich darin nit bleiben, sondern ziehe heint ... ins Dorf hinab, mag mehreres nit schreiben vor schreckh und khumerniß.“


Bedeutende Umbauten durch Bischof Johann Franz Eckher von Kapfing im frühen 18. Jahrhundert.

Neubau der Schloßkapelle im Jahre 1719 durch Dominikus Gläsl. Die Maße der alten gotischen Kapelle entsprechen dem Langhaus. Anbau des Chores, Verbindungsgang zum Ostbau, der ein 2. Stockwerk erhält (vgl. Valentin Gappnigs Vedute von 1699, welche die Burganlage noch im ursprünglichen Zustand zeigt). Die Altarfiguren stammen vom Freisinger Hofbildhauer Anton Malleth.

3. Dezember 1800 Schlacht von Hohenlinden (2. Koalition gegen Frankreich). Bayern wird Königreich. Die Herrschaft Burgrain endet im Zuge der Säkularisation am 11. 12. 1802. Am 12. 3. 1804 wird das Schloß, einschließlich der umliegenden Grundstücke und Felder und des für 11000 Gulden neu gebauten Bierkellers für nur 18000 Gulden öffentlich versteigert.

 

Die Familien Gnatz, Seidenschwarz, Streibl und Niederreither (durch Verehelichung miteinander verwandt) besitzen das Schloß von 1804 bis 1906. Sie betreiben Ökonomie und eine Brauerei. An der Westseite der Anlage wird ein großes Brauereigebäude errichtet. Der Burgrainer Biergarten ist weit bekannt und wird als Ausflugsziel in einer Münchner Freizeitbroschüre bereits um 1910 genannt.

 

Von 1906 bis 1917 steht Burgrain im Eigentum des „Vereins Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde in München“. Der 1. Vorsitzende des Vereins Eduard Ritter von Graf widmet sich mit ganzer Kraft dem Ziel, Burgrain zu einem für damalige Zeiten großzügigen Heim für Behinderte zu machen. Leider werden auch in dieser Zeit Umbauten an der Burg vorgenommen, die wenig Rücksicht auf den ursprünglichen Charakter der Anlage nehmen. Eduard Ritter von Graf erliegt einer Verwundung aus der Schlacht um Verdun. Nach dem Tode des 1. Vorsitzenden werden die Verhältnisse auf Burgrain für den Verein so unüberschaubar, daß dieser froh ist, sich unter großen finanziellen Verlusten aus dem Abenteuer Burgrain zurückziehen zu können.

 

Max Rombach, der letzte Verwalter des Blindenheimes, besitzt Burgrain von 1917 - 1919. Er verfügt nicht über die finanziellen Mittel Burgrain ohne Fremdkapital zu kaufen und muß deshalb unter anderem das Braurecht an die gräflich Moy’sche Brauerei „auf ewig“ verkaufen.

 

Seit 1919 ist Schloß Burgrain im Besitz der Familie Klapp. Bis 1957 wird die Ökonomie mit sehr viel Engagement weitergeführt. Die Möglichkeiten, die Arbeitsschritte zu rationalisieren und zu mechanisieren sind aber in einer Umgebung, die mehr eine mittelalterliche Verteidigung gegen Feinde berücksichtigt, bald ausgeschöpft und zwingen zur Aufgabe der Landwirtschaft. Burgrain dient nach dem 2. Weltkrieg bis zu 80 Personen als Zuflucht. Erst 1967 ziehen die letzten Mieter aus. Im Jahre 1971 wird ein neuer Zugang zur Kirche geschaffen und so auch in Burgrain die „Trennung von Kirche und Staat“ vollzogen. Nach Abbruch der ehemaligen Brauerei auf der Westseite des Burghofes in den Jahren 1983 und 1986 bietet der Innenhof wieder den Charakter der ursprünglichen Wehranlage.

 

Quellen:

·         Die ehemalige freisingische Herrschaft Burgrain; Heilmaier Ludwig, München 1911

·         Jahresarbeit „Ein Stück Heimatforschung zum Dienst am Burgrainer Schulkind"; Huber Lorenz, Burgrain 1950

·         Zulassungsarbeit „denkmalpflegerische Probleme der privaten Burgen und Schlösser, aufgezeigt am Beispiel von Schloß Burgrain; Klapp Rosemarie, Burgrain 1974

·         Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Heft 33; Stahleder Helmuth, München 1974

·         75 Jahre Blindenhilfsverein e.V.; Scheipl Else, München 1981